Verantwortung übernehmen FührungskräfteExecutive Summary
In vielen Unternehmen bleibt die erhoffte Entlastung durch Führungskräfte aus – statt Verantwortung zu geben sie Aufgaben zurück oder sichern für jeden Schritt bei Ihnen ab. In diesem Beitrag erläutern wir, welche drei Hauptursachen hinter dieser „Verantwortungsbremse“ stecken: erstens unklare Rollendefinition und das „Window-Shade Model of Power“ auf Unternehmer- bzw. Geschäftsführerebene, zweitens innere Unsicherheit, Überforderung oder fehlende Motivation bei den Führungskräften und drittens systemische Lücken wie das Mama-Papa-Spiel oder eine unklare Berichtsstruktur. Sie erhalten praxisnahe Ansätze, wie Sie klare Verantwortungsrahmen etablieren, eine konstruktive Feedback- und Fehlerkultur fördern und transparente Eskalations- und Berichtswege schaffen. So bauen Sie ein entscheidungsfreudiges Senior Leadership Team auf, das Sie wirklich entlastet – und gewinnen Zeit für strategische Themen und nachhaltiges Wachstum.

Einleitung

Unternehmer:innen und Geschäftsführer:innen stellen Führungskräfte ein, um das operative Tagesgeschäft zu delegieren, Mitarbeitenden Führung zu geben und selbst Freiraum für Strategie, Expansion oder neue Geschäftsideen zu gewinnen. In der Praxis erlebe ich jedoch häufig, dass diese erhoffte Entlastung nicht eintritt. Stattdessen sitzen Unternehmer und Geschäftsführer weiterhin zwischen allen Stühlen: Mitarbeiter:innen klopfen im Sekundentakt an die Tür, wichtige Entscheidungen stagnieren und Führungskräfte schieben Verantwortung zurück an die Unternehmensleitung.

Warum bleibt das Potenzial der Führungsebene ungenutzt? Welche Fehler passieren bereits bei der Einstellung und Einführung neuer Leader, und wo hakt es im Entwicklungs- und Feedbackprozess? In diesem Blogbeitrag beleuchte ich die drei zentralen Ursachen für mangelnde Verantwortungsübernahme und gebe konkrete Handlungsempfehlungen aus meiner jahrelangen Praxis als Organisationsberater und Führungskraft. Sie lernen, wie Sie…

  1. Ihre eigene Rolle und Machtverteilung (Window-Shade Model) klar definieren,
  2. Unsicherheiten, Überforderungsgefühle und Demotivation auf Seiten der Führungskräfte erkennen und abbauen,
  3. Systemische Barrieren wie das „Mama-Papa-Spiel“ und unklare Berichtsstrukturen beseitigen.

Am Ende steht ein strukturierter Leitfaden, mit dem Sie ein agiles, selbstbewusstes Senior Leadership Team formen, das Entscheidungen trifft und Sie wirklich entlastet.

1. Warum Verantwortungsübernahme häufig scheitert

Bevor wir in die Details einsteigen, fassen wir zusammen, welche Symptome typisch sind:

  • Ständige Eskalationen: Führungskräfte und Mitarbeitende wenden sich direkt an die Geschäftsführung, obwohl sie selbst zuständig wären.
  • Rückdelegation: Verantwortung „im Rückwärtsgang“ – Aufgaben und Entscheidungen werden von der Führungskraft zurück an die Unternehmer:innen gespielt.
  • Verunsicherung und Kontrollverlust: Chefs haben trotz Delegation das Gefühl, permanent eingreifen zu müssen, weil sie keinen Überblick mehr haben oder überraschende Eskalationen fürchten.
  • Frust auf allen Ebenen: Mitarbeitende fühlen sich unselbstständig, Führungskräfte entmachtet, und Geschäftsführer:innen belastet.

Diese Probleme entstehen nicht zufällig, sondern weisen auf drei kategorische Ursachenbereiche hin: die Rolle des Unternehmers/der Unternehmerin, die persönliche Haltung der Führungskraft und systemische Rahmenbedingungen.

2. Ursachen auf Unternehmer- / Geschäftsführerebene

2.1 Unklare Rollendefinition

Oft fehlt eine präzise Festlegung, wer welche Entscheidungen treffen darf. Gerade in wachsenden Unternehmen sind Loyalität und Vertrauenslevel sehr individuell und nicht strukturiert:

  • Neue Führungskräfte genießen zunächst ein geringeres Vertrauen als langjährige Manager:innen.
  • Ohne klare Rollenbeschreibung orientieren sich neue Leader an informellen Mächteverhältnissen – an Stelle einer festen Regelung tritt das „Rollo der Macht“: Mal hebt der Chef die Entscheidungshoheit, mal zieht er sie wieder herunter.

2.2 Window-Shade Model of Power

Das Fensterrollo-Modell der Macht beschreibt, wie Unternehmer:innen ihre Verantwortungsbereiche flexibel handhaben:

  • Rollo hoch: Führungskräfte entscheiden selbstständig bis zu einer definierten Grenze (Budget, Personal, Projekt).
  • Rollo halb herunter: Unternehmer:innen greifen in begründeten Ausnahmefällen ein (z. B. bei Großkunden, Krisensituationen).
  • Rollo voll runter: Entscheidet die Geschäftsführung oder wird sogar Mitarbeitenden in die Entscheidungsbefugnis reingegrätscht – die direkte Führungskraft wird dabei ganz übergangen.

Dieses Hin- und Herreißen ohne transparente Kommunikation führt zu massiver Verunsicherung:

  • Führungskräfte denken: „Ich kann nichts richtig entscheiden, es wird doch wieder einkassiert.“
  • Mitarbeitende geraten in Schwebezustand: „Wer ist jetzt wirklich unser Ansprechpartner?“
  • Geschäftsführung spürt Mehrarbeit: „Warum sitzen meine teuer eingekauften Leader weiter in meinem Büro, statt mir die Entscheidungen abzunehmen?“

2.3 Fehlende Feedback-Kultur

Entscheide ich mich einmal für Ausnahmeeingriffe (z. B. weil ein wichtiger Kunde laut wird), werden diese Interventionen häufig nicht rückwirkend erklärt:

  • Es fehlt an einem offenen Austausch, warum das Rollo kurz heruntergelassen wurde.
  • Geschäftsführer:innen oder Unternehmer:innen erhalten kein konstruktives Feedback, ob der Eingriff hilfreich war oder eher schadet.
  • Unternehmer:innen verpassen die Chance, Vertrauen und Kompetenz ihrer Führungskräfte weiterzuentwickeln, so dass es immer wieder zu solchen Eingriffen kommt

3. Ursachen auf Seite der Führungskräfte

3.1 Innere Unsicherheit und Absicherungsbedürfnis

Selbst erfahrene Führungskräfte können unter hohem Erfolgsdruck leiden und versuchen, potenzielle Fehler um jeden Preis zu vermeiden:

  • Schulsystem und Selbstwert: Untersuchungen zeigen, dass 60–75 % der Menschen ein eher geringes Selbstwertgefühl haben. In der beruflichen Rolle kann dies zu übertriebenem Micromanagement oder dem Bedürfnis führen, jede Entscheidung abgesichert zu wissen.
  • Folge: Statt eigenverantwortlich zu handeln, holen Leader zu oft „das Okay“ bei der Geschäftsführung ein und delegieren selbst kaum.

3.2 (Nicht zugegebene) Überforderung

Manchmal werden Führungskräfte „ins kalten Wasser geworten“ und dort allein gelassen:

  • Neue Funktionen: Übernahme neuer Geschäftsbereiche, die bisher nicht zum Kernbereich gehörten.
  • Unterschätzte Komplexität: Erst im operativen Alltag erkennen Leader, dass die Erwartungen das eigene Fähigkeitsprofil sprengen.
  • Verdeckte Rückdelegation: Anstatt offen zu kommunizieren, geben sie Verantwortung „hinterrücks“ wieder nach oben zurück.

3.3 Fehlende Motivation zur Führungsverantwortung

Ein kleiner, aber relevanter Anteil von Leadern stellt fest, dass ihnen das Entscheiden wider Erwarten nicht liegt:

  • Rolle gegen den Willen: Selten werden Mitarbeitende gegen ihren Willen befördert, doch manche erkennen erst im Amt, dass sie die Erwartungs­haltung nicht erfüllen möchten.
  • Angst vor Kritik: Ein einmaliger „Ärger“ über Fehlentscheidungen kann genügen, um das Verantwortungs­ticket eigentlich zurückgeben zu wollen.
  • Gretchenfrage stellen: Hier braucht es eine ehrliche Standortbestimmung, ob die Person weiterhin Führungskraft sein möchte oder wieder zurück ins Gleid geht – ohne dass sie dabei ihr Gesicht verliert.

4. Systemische Ursachen

4.1 Das „Mama-Papa-Spiel“

Ist das Eskalations- und Berichts­system nicht klar definiert, suchen Mitarbeitende gerne den direkten Weg zur Geschäftsführung:

  • Urlaubsanträge über die direkte Führungskraft Gehaltsverhandlungen über die Geschäftsführung. So werden Führungskräfte untergraben und dem “Mama Papa-Spiel” Tür und Tor geöffnet.
  • Die Folge: Wenn die Führungskraft nein zu dem Urlaubsantrag sagt, steht der/die Mitarbeitdende bei Ihnen im Büro.
  • Stärken Sie Ihren Führungskräften den Rücken und lassen Sie sie auch z.B. Gehaltsverhandlungen mit den Mitarbeitenden fürhren. Sie können sich ja immer noch die Option offen halten, dass die Führungskraft vor irgendwelchen Zusagen diese vorher mit Ihnen abgesprochen haben muss.

4.2 Fehlende Berichts- und Eskalationswege

In Matrix- oder Mehrfachstruktur-Organisationen werden Themen an unterschiedliche Ansprechpersonen herangetragen:

  • Standort- vs. Markenverantwortung: Wer ist zuständig für Budget, wer für Marke, wer für Personal?
  • Unklare Prozesse und Berichtswege führen dazu, dass Führungskräfte und Mitarbeitende nicht wissen, welche Themen sie mit wem besprechen müssen und welche sie selbst entscheiden dürfen – dies führt zu Frust und Energieverlust.
  • Resultat: Chaotische Kommunikationsströme, Verzögerungen, Ineffizeinzen und wiederholte Eskalationen bis zur Geschäftsführung.

5. Praxisnahe Handlungsempfehlungen

5.1 Klare Rollendefinition und Verantwortungsrichtlinien

  • Rollenkatalog erstellen: Dokumentieren Sie für jeden Leadership-Level verbindlich Budgetgrenzen, Entscheidungsfelder und Ausnahmen.
  • Window-Shade-Matrix visualisieren: Zeigen Sie in Workshops, wo das Rollo hoch, halb oder ganz heruntergelassen wird.
  • Regelkommunikation: Stellen Sie sicher, dass jede Änderung in Variante oder Ausnahme explizit kommuniziert wird.

5.2 Feedback- und Fehlerkultur etablieren

  • Regelmäßige Retrospektiven: Auch Führungskräfte berichten in festen Rhythmen, welche Inter­ventionen sie vorgenommen haben und was sie daraus gelernt haben.
  • Konstruktive Dialoge: Auch Unternehmer:innen bzw. Geschäftsführer:innen bekommen Feedback, wann Eingriffe hilfreich waren und wann sie lieber hätten abwarten sollen.
  • Fehler als Lernchance: Machen Sie deutlich, dass auch Chefs mal falsch liegen dürfen und auch “nur” Menschen sind.

5.3 Coaching- und Entwicklungsangebote für Leader

  • Marshall Goldsmith-Tool: Führen Sie mit jeder Führungskraft die drei Delegationsfragen durch:
    1. Wo micromanage ich Sie?
    2. Wo wünschen Sie sich mehr Unterstützung?
    3. Welche Aufgaben könnte ich längst delegieren?
  • Coachender Führungsstil: Arbeiten Sie viel mit Fragetechniken („Wie würden Sie entscheiden, wenn ich nicht da wäre?“) und stärken Sie gezielt das Selbstvertrauen Ihrer Leader.
  • Gezielte Weiterbildung: Bieten Sie Schulungen oder externes Coaching für neue Verantwortungsbereiche an.

5.4 Systemseitige Klarheit schaffen

  • Eskalationsmatrix: Definieren Sie klar, welche Themen auf welcher Hierarchie­ebene gelöst werden – von Urlaubsanträgen bis zu Großprojekten.
  • Dokumentation im Intranet: Veröffentlichen Sie Rollenbeschreibungen, Prozesslandkarten und Ansprechpartnerlisten für Mitarbeitende und Führungskräfte.
  • Regelmäßige Review-Meetings: Evaluieren Sie quartalsweise, ob Berichts- und Eskalationswege eingehalten werden und passen Sie gegebenenfalls an.

5.5 Verantwortungsklärungen in One-on-Ones

  • Planen Sie in Ihren Einzelgesprächen gezielt Zeit ein, um Verantwortungsgrenzen zu besprechen.
  • Fragen Sie: „Wo hakt es konkret? Wo fühlt es sich zu eng an, wo zu weit?“
  • Halten Sie Ergebnisse schriftlich fest – so entsteht Verbindlichkeit und Nachvollziehbarkeit.

Fazit

Verantwortungsübernahme durch Ihre Führungskräfte ist kein Selbstläufer, sondern ein dynamischer Prozess, der an mindestens den drei beschriebenen Stell­schrauben justiert werden kann:

  1. Unternehmer-/Geschäftsführerebene: Klare Rollenaufteilung und ein transparentes Window-Shade-Modell der Macht.
  2. Führungskräfte-Persönlichkeit: Abbau von Unsicherheit, Überforderung und Demotivation durch Coaching und Feedback.
  3. System- und Prozess­ebene: Schlanke, eindeutige Eskalations- und Berichtswege, die das „Mama-Papa-Spiel“ unterbinden.

Wenn Sie diese Bereiche konsequent adressieren, entsteht ein selbstbewusstes, entscheidungsfreudiges Senior Leadership Team. Dieses Team übernimmt Verantwortung, entlastet Sie nachhaltig und verschafft Ihnen Freiräume für Strategie, Innovation und Wachstum.

Mit besten Grüßen,
Ihr Corporate Culture Consultant
Björn Johannsmeier

PS: Spüren Sie, dass Ihr Führungsteam noch Potenzial hat, richtig Verantwortung zu übernehmen? Lassen Sie uns gemeinsam Ihren Senior Leadership Team-Aufbau gestalten. In einem unverbindlichen Erstgespräch analysieren wir Ihre aktuelle Situation und entwickeln einen maßgeschneiderten Fahrplan für mehr Entscheidungskraft und Entlastung. Kontaktieren Sie mich jetzt – ich freue mich auf Sie! Zur Gestaltung Ihrer Unternehmenskultur geht es hier.