Executive Summary
Eine starke Vision ist kein Slogan, sondern ein Kompass, der Orientierung schafft, Entscheidungen beschleunigt und Talente bindet. Ich zeige, warum Visionsarbeit heute unverzichtbar ist, trenne Vision, Mission und Strategie sauber und benenne No-Gos wie Agenturtexte, stilles Kämmerlein und Berater-Monologe. Stattdessen: Beteiligung. Bewährt haben sich Off-Site, ehrliche Standortbestimmung, kreative Zukunftsbilder und eine prägnante Überschrift, die das Zielbild verdichtet. Mitarbeitende übersetzen die Vision in Kund:innen-, Team- und Eigentümerperspektive – so wird sie gelebt. Ergänzend liefern KI- und Foresight-Impulse Weitblick, während die Vision als verlässliche Richtung bestehen bleibt.
Einleitung
Eine gute Vision ist keine schöne Folie. Sie ist Kompass. Sie hilft, Komplexität zu ordnen, Prioritäten zu setzen und als Organisation in die gleiche Richtung zu gehen. In zwei Vorträgen mit insgesamt rund 80 Autohaus-Unternehmern stellte ich die einfache Frage: „Wer von Ihnen hat eine Vision?“ – Vier Hände gingen nach oben. Das ist keine repräsentative Statistik. Aber es ist ein Weckruf. Gleichzeitig zeigen Befragungen, dass nur vier von zehn Mitarbeitenden wissen, wofür ihr Unternehmen steht – selbst dort, wo formale Aussagen existieren. Die Hürde ist also weniger das „Haben“, sondern vor allem das Verstehen und Leben.
Dieser Beitrag bündelt die Kerngedanken aus meiner praktischen Arbeit: Was eine Vision ist, warum sie gerade heute so wichtig ist und wie Sie sie so entwickeln, dass sie getragen wird – von Führungskräften und Mitarbeitenden.
1) Was eine Vision ist – und was nicht
Vision: Ein attraktives Zukunftsbild – ein ambitioniertes, verständliches Bild davon, wohin das Unternehmen sich entwickelt. Mission: der Daseinszweck (wozu es uns gibt). Strategie: der Weg zur Vision, häufig mit Zielen und Etappen.
Aus meiner eigenen Laufbahn ein Beispiel, das zeigt, wie bildhafte Klarheit hilft: „Der Blaupunkt in jedem Auto.“ Anspruchsvoll? Ja. Aber nicht unrealistisch, weil Blaupunkt – damals ein Geschäftsbereich von Robert Bosch – in Erstausrüstung und Aftermarket vertreten war – und die Produktpalette von Autoradios bis Antennen reichte. Genau diese Bildhaftigkeit macht Visionen merk- und anschlussfähig: Menschen sehen sofort, wohin es gehen soll.
Vier Qualitätskriterien für Ihre Formulierung:
- Verständlichkeit: In 30 Sekunden erfasst – ohne abstrakte Buzzwords.
- Bildhaftigkeit: Entsteht ein konkretes Bild? (So wie „in jedem Auto“.)
- Richtungsgebend: Hilft beim Abwägen A vs. B – sonst ist es ein Spruch oder Marketing-Slogan, keine Vision.
- Anschlussfähigkeit: Mitarbeitende können sich identifizieren; Begriffe wie „Shareholder Value“ bleiben fern vom Alltag.
2) Warum Visionsarbeit heute wichtiger ist denn je
„So viel Veränderung – kann man da überhaupt noch eine Vision formulieren?“ Ja – gerade deshalb. Viele Entwicklungen deuten Richtungen für die nächsten Jahre an. Eine Vision darf und soll weiterentwickelt werden, wenn Märkte sich verschieben oder Disruptionen eintreten. Sie ist nicht in Stein gemeißelt, aber sie gibt heute die notwendige Orientierung.
Was eine gelebte Vision bewirkt:
- Orientierung für Mitarbeitende und Führungskräfte – Prioritäten werden klarer.
- Schnellere Entscheidungen: Ist die Richtung klar (z. B. Marktführerschaft), können Führungskräfte Chancen sofort nutzen – auch wenn der Unternehmer gerade nicht erreichbar ist.
- Talentmagnet: Menschen mit hohem Anspruch fühlen sich angesprochen – andere merken fair und früh, dass es nicht passt. Das reduziert Reibung und erhöht Bindung.
3) Realitätscheck: Wenige haben eine Vision – und noch weniger leben sie
In zwei Unternehmergruppen (insgesamt ca. 80 Personen) meldeten sich nur vier, als ich nach einer vorhandenen Vision fragte. Und: Auch dort, wo es „Sätze an der Wand“ gibt, wissen laut Mitarbeitendenumfragen nur 4 von 10, wofür das Unternehmen steht. Die Verankerung ist also die eigentliche Hürde.
4) Drei Wege, die nicht funktionieren
In Gesprächen mit den Unternehmern habe ich typische No-Gos gesehen:
- Marketingagentur schreibt Vision: Klingt geschliffen – dockt intern aber regelmäßig nicht an! Es fehlt inneres Eigentum und der Blick von innen.
- Stilles Kämmerlein (z. B. Unternehmer allein oder mit einem Familienmitglied): Motivation der Inhaber steigt – die Organisation bleibt außen vor.
- Nur mit externem Berater im Halbtags-Sprint: Struktur ist gut, aber ein Externer ist nicht das System; ohne Beteiligung bleibt es „fremd“.
Diese Varianten produzieren häufig Papier, aber keine gelebte Richtung.
5) Drei Wege, die tragen
- a) Führungsteam-getrieben
Mit dem Unternehmer/der Geschäftsführung und dem Führungskreis das gemeinsame Bild entwickeln: Ambition klären, Widersprüche bearbeiten, Formulierungen iterativ schärfen. - b) Gemischtes Team
Ein repräsentatives Team aus Bereichen/Standorten bringt Perspektiven zusammen und erzeugt früh Identifikation – bei guter Moderation und klaren Leitplanken. - c) Zwei-Phasen-Ansatz
Phase 1 im Führungsteam (Richtung, Kriterien, erste Formulierungen). Phase 2: breite Einbindung – Feedback, Beispiele, Stories; das Bild wird geschärft und ins Unternehmen übersetzt.
6) Der bewährte Rahmen: Off-Site, Standortbestimmung, Kreativarbeit – und die „Überschrift“
Ich starte gern mit einem Off-Site – zwei Tage, eine Übernachtung. Distanz zum Tagesgeschäft, Teambuilding inklusive. Das stärkt die Zusammenarbeit genau dort, wo eine Vision entsteht: im Dialog.
Schritt 1 – Standortbestimmung (SWOT):
Ehrliche Ist-Aufnahme: Stärken/Schwächen (intern) und Chancen/Risiken (extern). Viele Bereichsleiter gewinnen so erstmals eine gesamthafte Unternehmensperspektive.
Schritt 2 – Kreativarbeit zum Zukunftsbild:
Kleingruppen visualisieren das Bild in fünf Jahren (z. B. 2030) – bewusst bildhaft (Ausschnitte, Metaphern). Das aktiviert die „rechte Gehirnhälfte“ und löst sich vom Tagesgeschäft.
Schritt 3 – Die Visions-„Überschrift“ finden:
Aus dem Material eine prägnante Formulierung destillieren: ein Satz, ein Bild, eine Richtung. Das ist Arbeit – in mehr als der Hälfte der Fälle gelingt in dieser Phase schon am gleichen Tag der Durchbruch. Bei der anderen Hälfte beim Folgetermin, nachdem ein paar Nächgte drüber geschalfen wurde.
7) Wenn das Top-Team (noch) nicht trägt: Leistungsträger-Team
Nicht immer ist das bestehende Führungsteam für diese Art von Arbeit optimal aufgestellt. In solchen Fällen hat sich eine Mannschaft aus einzelnen Führungskräften und engagierten Mitarbeitenden bewährt – Menschen, die im Alltag mitziehen. Das hat in der Praxis sehr gut bewährt.
8) So wird die Vision „unsere“: Übersetzen in Stakeholder-Perspektiven
Nach der Kernarbeit mit Führungskräften oder dem Lesitungsträgerteam präsentiere ich die Ergebnisse bewusst breit – und lasse Mitarbeitende in Kleingruppen übersetzen:
- Kundenperspektive: Was sagen Kunden, wenn wir das Bild erreicht haben? Empfehlen sie uns weiter – und warum? Was sagen sie?
- Mitarbeitendenperspektive: Wie fühlt es sich dann an, hier zu arbeiten? Was erzählen wir im Freundeskreis?
- Eigentümerperspektive: Was heißt das für Stabilität, Ertrag, Verantwortung?
Wesentlich ist dabei: Originalformulierungen werden nicht „glattgezogen“, sondern bewusst übernommen – Wort für Wort, wo immer möglich. Denn dann passiert etwas, das externe Agenturen nicht leisten können: Mitarbeitende sagen bei der Kommunikation später „Das Wort kommt von mir.“ – das erzeugt Identifikation und erleichtert die interne Kommunikation.
9) Kommunikation: Erst verstehen lassen – dann sichtbar machen
Ein häufiger Fehler: Die Vision wird poliert, gelayoutet und sofort plakatiert. Erfolgreicher ist der Weg von innen nach außen:
- Zuerst verstehen lassen (Workshops, Dialog, Übersetzungsarbeit in den Teams).
- Dann sichtbar machen – und immer wieder anschlussfähig erklären (Beispiele, Entscheidungen, die aus dem Bild abgeleitet werden).
10) Wenn Märkte sich verschieben: Vision standhaft, Strategie beweglich
Veränderung gehört dazu – Disruptionen können ganze Segmente verschieben. Heißt das, die Vision wird ständig neu erfunden? Nein. Die Vision darf weiterentwickelt werden, aber sie bleibt Richtung. Was in der Regel angepasst wird, sind Strategie und Etappen, nicht der Kompass selbst.
11) Was ich heute zusätzlich tue: KI & Zukunftsforschung klug einbinden
Heute nutze ich zwei Quellen stärker – nicht als Ersatz für Beteiligung, sondern als besseren Startpunkt für Gespräche:
- KI-gestützte Trend-Sichten: Fragen an die Zukunft („Kundenverhalten? Technologie? Regulierung?“) systematisch aufbereiten lassen; Szenario-Skizzen zur Diskussion stellen.
- Zukunftsforschungs-Impulse: Seriöse Institute um Branchen-Szenarien bitten – zusätzliche Flughöhe, die Perspektiven weitet. Anschließend gemeinsam übersetzen: „Was heißt das für Kunden, Mitarbeitende, Eigentümer?“
12) Ihre 30-Tage-Roadmap: Vom Start zum ersten Entwurf
Woche 1 – Klarer Auftrag & Teamaufstellung
- Zielbild des Prozesses klären (Woran merken wir Erfolg?).
- Entscheiden: Führungsteam, gemischtes Team oder Leistungsträger-Team – abhängig von Reifegrad und Teamzuschnitt.
Woche 2 – Standortbestimmung & Impulse
- Kompakte SWOT: Stärken/Schwächen (intern), Chancen/Risiken (extern).
- Optional: KI-Skizzen und Foresight-Inputs kuratieren (kurz & konkret).
Woche 3 – Kreativarbeit & Formulierung
- Kleingruppen visualisieren das Zukunftsbild (5 Jahre).
- Plenum: Muster sichtbar machen.
- Erste Visions-Überschrift (1–2 Sätze) destillieren – ein Satz, ein Bild, eine Richtung.
Woche 4 – Übersetzen & Nächste Schritte
- Mitarbeitende in Perspektiven Kunde – Mitarbeitende – Eigentümer übersetzen lassen; Originalformulierungen übernehmen.
- Kommunikationspfad festlegen (intern priorisieren), nächstes Review
Fazit
Eine tragfähige Vision ist kein Textbaustein. Sie entsteht im echten Dialog – und sie wirkt, wenn Menschen sich darin finden. Der Weg dorthin ist machbar: ehrliche Standortbestimmung, kreatives Zukunftsbild, prägnante Überschrift, anschließend die Übersetzung durch die Organisation. So wird aus einem Satz ein Kompass, der Orientierung gibt, Entscheidungen beschleunigt und Talente bindet. Und wenn sich Märkte bewegen, bleibt die Vision standhaft, während Strategie und Etappen beweglich bleiben.
Beste Grüße
Björn Johannsmeier
Ihre Corporate Culture Consultant,
Stressmanagement Trainer und
Executive Coach
PS: Wenn Sie eine Vision erstmals entwickeln oder eine in die Jahre gekommene Vision auffrischen möchten: Ich begleite Sie praxisnah – vom kompakten Off-Site über die Visions-„Überschrift“ bis zur Übersetzung in die Organisation. Klicken Sie hier mir für ein unverbindliches Erstgespräch. Hier erfahren Sie mehr zu einer indivduellen Begleitung.





